Vortragsveranstaltung von Carsten Möhle alias Bwana Tucke-Tucke im Auguste-Oberwinter-Haus in Frankfurt am 28.03.2023
Als Auftakt in 2023 folgte ein weiterer Vortrag von Carsten Möhle im vollbesetzten Auguste-Oberwinter-Haus, diesmal über Namibias Haupstadt Windhoek mit neuen Einblicken, bunten Geschichten und Anekdoten zu Gebäuden, Straßenschildern, Menschen und Verhältnissen vor Ort.
So leben 68% aller rund 450 000 Einwohner Windhoeks in Blechhütten, Folge auch einer extrem großen Landflucht insbesondere seit 18 - 20 Jahren nachdem 1990 mit der Unabhängigkeit die Einschränkung der Freizügigkeit geendet hatte. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Armut groß. Von einem formellen Arbeitsplatz hängen achte weitere Arbeitsplätze ab. Aber trotz der großen Armut gibt es vergleichsweise wenig Kriminalität, so Herr Möhle, und sie ist auch nicht wesentlich gestiegen.
Wer nach Windhoek reist, landet üblicherweise am 42 km außerhalb der Stadt gelegenen Flughafen Hosea Kutako, wo das Land etwas flacher ist, flach genug für Start- und Landebahn. Während der Corona-Phase ist der Airport nochmals erweitert worden. Parken sei dort übrigens günstig, erfahren wir, umgerechnet ca 50 Cent für zwei bis drei Stunden. Wie auch die Lebenshaltungskosten recht günstig sind.
Die Verkehrsdichte ist noch überschaubar, wenngleich der Kreisverkehr bei Linksverkehr sich dem Neuankömmling als erste Hürde darstellen kann. Unterwegs nach Windhoek kommt man an Neudamm vorbei, heute ein Campus der Universität von Namibia für landwirtschaftliche Ausbildung.
Auf den Straßen kann man davon ausgehen, dass es alle 20 km irgendetwas gibt, denn das war die alte Ochsenwagenentfernung (Tagesleistung des Ochsenwagens). Vier Checkpoints rund um Windhoek wegen Wilderei gibt es, und Herr Möhle gibt Tipps für das Verhalten an eben diesen.
Das Stadtwappen Windhoeks zeigt eine Aloe. Deren drei Fruchtstände stehen für die drei ursprünglichen Sprachen Englisch, Deutsch und Afrikaans mit dem Wahlspruch Suum Cuique (Jedem das Seine, das ihm Gebührende).
Wir lernen die historischen Gebäude und Denkmäler aus der vergangenen deutschen Kolonialzeit kennen: Den „Weiter - Reiter von Südwest“ - das Reiterdenkmal wurde inzwischen ersetzt durch eine Statue von Sam Nuyoma -, den Tintenpalast für die „Tintenkleckser“ der Regierung. Wir hören, dass der Tintenpalast seinen Namen wegen der Tintenbüsche drum herum bekam, nicht wegen der Schreiber. Und erst seit der Unabhängigkeit ist das Namibische Parlament dort untergebracht. Es gibt eine Frauenparität, und vor 6 Jahren gab es 106 Abgeordnete für 1,5 Mio Wahlberechtigte.
Es gibt relativ unabhängige Gerichte und mit die unabhängigste Presse Afrikas. Drei Minister, erfahren wir, sind im Gefängnis, in zwei Jahren könnten es wohl sechs weitere sein (wegen Korruption).
Wir sehen die Christuskirche mit Fenstern, die mittlerweile richtig herum eingebaut wurden. Denn vor 23 Jahren wurde die Christuskirche renoviert und der Fenstereinbau korrigiert.
Außerdem sehen wir die Alte Feste und die Alte Waffen- und Pulverkammer - das älteste noch erhaltene Gebäude der Stadt. Damals wie heute gilt ein 300 m Mindestabstand zu Munition (TNT).
Beim Sammelsurium bunter Geschichten und Anekdoten fehlt die Kaiserliche Realschule ebensowenig wie die drei Burgen Windhoeks, die Schwerinsburg, die aus dem Ausflugslokal “Sperlingslust“ der Schutztruppe hervorgegangen ist, die Heinitz- und Sanderburg oder der Ausspannplatz für Ochsenwagen am Ende des alten Baiweges. Wir sehen das Witbooi-Kriegsdenkmal im Zoopark, die ehemalige Kaiserstrasse mit Erckert-Fassade; den Bahnhof in der Bahnhofstrasse oder die fast völlig unbekannte Erosfeste im Osten von Windhoek, ein Nationaldenkmal, das nicht mehr zugänglich ist.
Wir hören von den drei preußischen Landvermessungsmarken auf dem Kaiser Wilhelm Berg, vor der Stadtverwaltung und in der Schweitzer Straße oder vom 10-Mann-Haus, ein historisches Wohngebäude, vor rund 120 Jahren für zehn Beamte errichtet.
Wir erfahren auch, dass weil die Baumeister damals keine Profis waren, sondern Soldaten, nach etwa 60 Jahren viel von der Kolonialarchitektur verfallen war. Außerdem berichtet Herr Möhle von der Store Street Straße um 1900, die später Kaiser Wilhelm Straße, dann Kaiserstraße und heute Independence Ave heißt. Nach der Unabhängigkeit wurden viele Straßen umbenannt und die deutschen Namen ersetzt. Aber in Katutura wurde auch eine Straße neu nach Hans Dietrich Genscher umbenannt um damit an seinen Einsatz für die Unabhängigkeit zu erinnern. Und mittlerweile bekommen auch weitere Straßen wieder deutsche Namen wie die Frankfurter Straße in Katutura, eine Bonnstraße etc.
Weitere Weisheiten oder Dinge, die man vielleicht noch nicht kannte oder wieder vergessen hat, waren, dass es 1957 die erste Teerstraße im Land gab, es 12500 reguläre Taxis gibt, aber kaum öffentlichen Nahverkehr und die Kfz-Zeichen relativ frei wählbar sind.