DNG-Seminar vom 5. bis 7. November 2010 in Erfurt.

ErfurtErfurtDas Wetter wollte dieses Jahr zum DNG-Seminar in Erfurt nicht richtig mitspielen. In der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt regnete es und in der ersten Nacht stürmte es so sehr, dass der lärmende Wind so manchem Seminarteilnehmer den Schlaf raubte. Da das Wetter ohnehin nicht dazu verführte sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt anzuschauen, konnten sich die knapp 100 Teilnehmer auf das Seminar konzentrieren, den interessanten Vorträgen lauschen und mit Hilfe beeindruckender Fotos gedanklich aus dem verregneten Deutschland in das warme, sonnige Namibia flüchten.

Die Tonbildschau „Bezaubernde Wüste – eine Reise in die unendlichen Weiten der Namib“ von Helmut Gries am Samstagabend war wieder ein Höhepunkt der Veranstaltung. Der exzellente Fotograf entführte die Zuschauer auf eine Tour von Windhoek über das Khomas-Hochland an die Küste nach Swakopmund und weiter über den Kuiseb-Pass zum Namib Naukluft Park. Schöne Schattenspiele an den Dünengürteln zwischen Swakopmund und Walvis Bay, ein Blumenmeer im Sossusvlei nach der Regenzeit, die kahlen Bäume in der Salzlandschaft des Dead Vleis, der eindrucksvolle Sternenhimmel über dem Fish River Canyon und Makroaufnahmen einer Puffotter, eines Chamäleons oder eines Skorpions faszinierten die Zuschauer.

Aber die Teilnehmer kamen nicht nur, um das Land ihres Herzens zu bewundern, sondern auch um Informationen auszutauschen und zu diskutieren. So sorgte bereits der moderne Kurzfilm am Freitagabend „Africa Light – Gray Zone“ mit seinen schnell wechselnden Bildern von Landschaft, Tieren und Armut für einigen Diskussionszündstoff. Neben der Schnitttechnik – die man mögen kann oder nicht – regten vor allem die einzigen zwei Zitate: „When the missionaries came, they had the bible, we had the land“ und gegen Filmende „When we opened our eyes, we saw, that we had the bible and they had the land“ zur aktiven Gesprächsteilnahme an.

Viele interessante Themen

Dr. Ingolf DietrichDr. Ingolf DietrichAm Sonnabend und Sonntag wurde außerdem über viele spannende Themen referiert. Dr. Ingolf Dietrich, Referatsleiter „Südliches Afrika“ im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gab Antworten auf die Frage „Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit Namibia – Sprint oder Hürdenlauf?“. Namibia sei weltweit das Land mit der größten Ungleichheit. Ziel der deutschen EZ sei es, die namibische Regierung bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsstrategien zu unterstützen. Dafür habe sich das BMZ drei Schwerpunkte gesetzt: nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Management natürlicher Ressourcen und Transport.
Die Hürden seien die oft sehr langwierigen Verfahrensweisen; die Koordinierung zwischen der namibischen Regierung und den Gebern; die Kapazitäten, wie quantitative und qualitative Personalausstattung vor Ort sowie die Konsolidierung der Schwerpunkte für eine effizientere EZ. Aber Dietrich bleibt positiv: „Potenziale gibt es genügend, die einen Sprint möglich machen würden.“

Dr. Giorgio MiescherDr. Giorgio MiescherÜber das Für und Wider der „Roten Linie“ referierte der Historiker Dr. Giorgio Miescher von den Basler Afrika Bibliographien und dem Namibia Resource Centre. Diese Linie quer durch den Norden des ganzen Landes stammt aus der deutschen Kolonialzeit und wurde 1960 mit einem über 1.000 Kilometer langen Zaun gefestigt. Dieser sollte dazu dienen, die Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche in den Süden Namibias zu verhindern. Er spiegelte aber auch die realen Machtverhältnisse zwischen Süden und Norden wider. Auch heute würden viele in diesem Zaun noch einen „physischen Ausdruck der räumlichen Zweiteilung des Landes“ sehen, erläuterte Miescher. Prof. Dr. Volker GretschelProf. Dr. Volker GretschelDas Parlament beschloss deshalb seine Abschaffung bis 2015. Dabei gehe es um mehr als nur die Aufhebung des Veterinärzauns: um den Abriss eines Kolonialmonuments, einen besseren Zugang der Farmer im Norden zum Markt und die Aufhebung der Zweiteilung des Landes.

Prof. Dr. Volker Gretschel von der University of Namibia (UNAM) sprach über die Zukunft der deutschen Sprache in Namibia. Während Deutsch als Fremdsprache in den letzten Jahren nicht zurückgegangen sei, sei Deutsch als Muttersprache mittlerweile deutlich unterrepräsentiert. Ein Problem sei vor allem die Vermischung der deutschen Sprache mit Englisch oder Afrikaans, das daraus entstandene Südwesterdeutsch verdränge
das Hochdeutsch. Vor allem bei der jüngeren Generation sei dieses Problem ersichtlich, kaum einer von ihr spreche noch Hochdeutsch. „Der Countdown für den Fortbestand von Deutsch als Muttersprache in Namibia hat begonnen“, gab Gretschel zu bedenken.

Von Rechtspluralismus bis Kartographie

Die vielen aufschlussreichen Vorträge boten ausreichend Gesprächstoff für die Kaffeepausen oder für einen Wein am Abend an der Hotelbar oder in einer etwas günstigeren Künstlerkneipe um die Ecke. Für etwas  Aufmunterung zwischen den ernsthaften Themen sorgte das Gebell von „Prof. Dr. Wuschel“, der an der Eingangstür des Seminarraums darauf hinwies, wenn es ein Seminarteilnehmer wagte, verspätet zu einem Vortrag zu erscheinen.

Johanna GörlitzJohanna GörlitzAm Sonntagvormittag referierte die Diplom-Kartographin Johanna Görlitz aus Dresden über die Notwendigkeit eines neuen Atlasses für Namibia. Für das Land seien momentan nur zwei Arten von Atlanten verfügbar, der Nationalatlas und der Straßenatlas. Bisher gebe es aber keinen topographischen Atlas, in dem die Landschaft mit Relief eingezeichnet ist und Berge, Täler und Nationalparks erkennbar sind. Deshalb soll dieser nun entwickelt werden. Vorgesehen ist eine Karte mit einem Maßstab von 1:450.000, die vor allem Tourguides als Zielgruppe haben soll. Der Erscheinungstermin steht noch nicht fest, angepeilt sei ein Zeitraum von etwa zwei Jahren bis zur Fertigstellung. Neue Informationen und Daten, die für die Erstellung des Atlasses von Nutzen sein könnten, können gern an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! gesendet werden.

Prof. Dr. Oliver RuppelProf. Dr. Oliver RuppelFür einen sehr interessanten Abschluss sorgte Prof. Dr. Oliver C. Ruppel von der Rechtsfakultät der Universität Stellenbosch, der auch schon an der UNAM lehrte. Er beleuchtete das Thema „Rechtspluralismus und Gerichtsbarkeit in Namibia“. „Namibia kann auf erfolgreiche 20 Jahre zurückblicken“, erklärte er. So habe das Land eine sehr moderne Verfassung, in der die Menschenrechte eine bedeutende Rolle spielen. Die größte Besonderheit in Namibia sei die parallele Existenz des „ordentlichen“ Rechtssystems und des traditionellen Gewohnheitsrechts. Gesetzlich darf das traditionelle Recht angewendet werden, soweit es mit der Verfassung Namibias vereinbar ist. Daraus ergeben sich aber auch Probleme: Das Gewohnheitsrecht ist nicht immer mit der Verfassung im Einklang, oftmals sind Kinder und Frauen noch stark benachteiligt. Ein wichtiger Schritt diese Problematik anzugehen, seien Aufklärung und Bildung, erklärte Ruppel.

Das Seminar bot wie jedes Jahr wieder viele Informationen. Außerdem konnten die ersten Weihnachtsgeschenke in Form von Handwerk oder Marmelade aus Namibia und Büchern und Kalendern eingekauft werden. Das Treffen bot auch wieder die Möglichkeit, alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen.

 

 

Blick ins PublikumBlick ins Publikum