Bericht über das Namibia-Seminar der Deutsch-Namibischen Gesellschaft vom 31.10.-2.11.2008

Von Noreen Hirschfeld

Eindrucksvolle Bilder aus der Vogelperspektive - der Wüste Namib und spannende Nahaufnahmen der Löwen faszinierten die Zuschauer des Films "Die Rückkehr der Wüstenlöwen", der die 109 Teilnehmer des Wochenend-Seminars der DNG am ersten Abend auf Namibia einstimmen sollte. In dem Film hat der einheimische Biologe Dr. Philipp Stander - der auch aktiv darin mitwirkte - die Wiederansiedlung eines Rudels Löwen im trockenen Nordwesten Namibias, dem Kaokoveld, dokumentiert. Seit zwei Jahrzehnten galten diese hier, durch die Jagd der Einheimischen, als ausgestorben.

Durch ein offenes Abkommen mit den ansässigen Herero - solange die Löwen kein Nutzvieh reißen, werden sie nicht abgeschossen - versucht er nun die Tiere zu schützen. Die Schwierigkeit dabei ist die unzureichende Nahrungssituation für die Löwen. "Flip" Stander hoffte deshalb im Film darauf, dass sie die Robbenkolonie an der Skelettküste entdecken, um ihr Überleben sichern zu können. Dipl. Ing. und Freizeitfotograf Helmut Gries, der im Anschluss über den Film und die Arbeit von Stander referierte, erklärte, dieser -Wunsch sei bereits in Erfüllung gegangen.

Die Referenten Thorsten Schütte, Prof. Dr. Wolf Dieter Blümel, Patricia Sola, Dr. Clemens Greiner, Libertina K. Kautwima und Dr. Dag Henrichsen mit DNG-Vizepräsidentin Birgit Möhring (von links).Die Referenten Thorsten Schütte, Prof. Dr. Wolf Dieter Blümel, Patricia Sola, Dr. Clemens Greiner, Libertina K. Kautwima und Dr. Dag Henrichsen mit DNG-Vizepräsidentin Birgit Möhring (von links). Libertina K. Kautwima, First Secretary der Botschaft von Namibia, sprach über "Namibia on the Move to Vision 2030". Die "Vision 2030" - der langfristig angelegte Zukunftsplan Namibias - sei eng verknüpft mit den Millenniums-Zielen der Vereinten Nationen, die von der UN-Generalversammlung im Jahr 2000 angenommen wurden, erklärte sie.

Seit acht Jahren arbeite die Regierung bereits an der Umsetzung dieser Ziele. Die "Vision 2030" sei "das Resultat eines kooperativen Prozesses, in den alle Bereiche der namibischen Gesellschaft einbezogen wurden."

Das oberste Ziel sei, Namibia vom Stand eines wirtschaftlich unterentwickelten Landes auf den eines entwickelten Staates zu heben. In aufeinanderfolgenden Fünf-Jahresplänen präsentiere die Regierung ihre Politik und Investitionsvorhaben. Aber was erwarten die Menschen von dieser großen Vision? Sie wünschen sich vor allem eine bessere Zukunft, Gesundheit, die Abschaffung der Entwicklungsdisparitäten in den verschiedenen Regionen, eine bessere Chance auf Bildung, Zugang zu Land und Wirtschaftswachstum einhergehend mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, erläuterte Kautwima. Um die Wirtschaft des Landes anzukurbeln, sei es wichtig Direktinvestoren aus dem Ausland anzuwerben und einen "adäquaten Marktzugang für namibische Produkte zu den EU-Märkten und dem deutschen Markt" zu sichern.

Hier machte Kautwima auf die geringe Aktivität der deutschen Privatwirtschaft in Namibia aufmerksam und wünschte sich von dieser Seite ein größeres Engagement. "Die Bestrebungen von Staaten sich zu entwickeln, müssen von der industrialisierten Welt unterstützt werden", forderte sie. Dabei gehe es nicht um die klassischen Entwicklungshilfemaßnahmen, sondern um die "Notwendigkeit, die großen Märkte zu öffnen, damit der Zugang afrikanischer Produkte gewährleistet ist". Hier verwies sie auf die zu hohen Subventionen in den EU-Ländern. Die Geberländer sollten nicht ihre eigenen Ziele in den Partnerländern verwirklichen, sondern durch Kooperationsangebote "dazu beitragen, nationale Aspirationen - wie z.B. die Vision 2030 - langfristig umzusetzen."

Dr. Wolfgang ManigDr. Wolfgang ManigAuf diesen Punkt kam anschließend auch Dr. Wolfgang Manig, VLR I, Leiter des Referates Südliches Afrika im Auswärtigen Amt, zu sprechen. Er erklärte, das Auswärtige Amt vertrete gemeinsam mit der Afrikanischen Union die Auffassung, dass Afrika nicht nur als Objekt der Entwicklungspolitik zu sehen sei, sondern als Partner. Europa - und auch China - sollten "nicht mehr nur ÜBER Afrika diskutieren, sondern MIT den afrikanischen Staaten".

Dieser neue Ansatz in der Außenpolitik beziehe sich auf die afrikanische Forderung "Afrikanische Lösungen für afrikanische Staaten!". Außerdem erläuterte Manig die derzeitige Lage der Länder des südlichen Afrikas und nahm vor allem Bezug auf die problematischen Situationen in Simbabwe und der Demokratischen Republik Kongo. Natürlich sprach er auch über die "intensive und vertiefte freundschaftliche" deutsch-namibische Beziehung. Der neue Botschafter Egon Kochanke sei seit September im Amt. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sollten in den nächsten zwei Jahren wieder vertieft werden, vor allem durch einen verstärkten Personenaustausch. Im November 2007 sei eine Sonderinitiative von Heidemarie Wieczorek-Zeul unterzeichnet worden, die dem Wunsch der namibischen Regierung nachkam, bei der Entwicklungsarbeit zwar Regionen, aber keine Ethnien zu fördern.

Als Importland stehe Deutschland an dritter Stelle, bei den Exporten aus Namibia auf Rang fünf. Unsicherheit gäbe es vor allem bei der Frage, wie es mit der Landreform weitergehen werde. Zwar sei Deutschland bereit zu helfen, allerdings nur wenn das Vorgehen auf rechtsstaatlichen Mitteln basiere. Auf die Frage von Kautwima nach den fehlenden Investoren eingehend erklärte Manig, dass die Landthematik wahrscheinlich auch einige Investoren zurückhalte. "Ein klares Signal der namibischen Regierung wäre hilfreich", meinte er.

Anschließend wurde ein kurzer Vortrag von Patricia Sola über die Katutura-Projekte eingeschoben. Sie ist die rechte Hand von Jutta Rohwer, der Koordinatorin verschiedener Projekte in Windhoek. In der Behinderteneinrichtung Opanganda Centre werden beispielsweise über 30 geistig und körperlich benachteiligte Kinder betreut und gepflegt. Auch Selbsthilfeprojekte für allein erziehende Mütter, wie der Oasa Taradi Trust Windhoek und die Helping Hands Swakopmund, werden unterstützt. Die Frauen stellen hier landestypische Handarbeiten für den Verkauf her. Dies fördere die Selbstständigkeit der Frauen, erklärte Sola. Außerdem gäbe es die Waisenhäuser Dolam Children House und Orlindis Place of Safety. Das Dolam Children House beherbergt 18 Waisen, fünf davon sind HIV-positiv. Außerdem werden in 110 Kindergärten ungefähr 3000 Kinder betreut.

Des Weiteren werden Schulfonds, Brückenschulen, Jugendprogramme, Suppenküchen und die AIDS-Frauengruppe Okahandja Park gefördert. Untermalt hatte Sola ihre Präsentation mit vielen eindrucksvollen Bildern, die ihre Arbeit und die Erfolge der Projekte dokumentierten.

Dr. Dag Henrichsen, Leiter der Basler Afrika Bibliographien und des Namibia Resource Centre - der größten Namibia Bibliothek außerhalb Namibias -, referierte über das Thema "...unerwünscht im Schutzgebiet ... nicht schlechthin unsittlich". Der Historiker, der aus Swakopmund stammt, führte die Zuhörer zurück in die Zeit der deutschen Kolonialverwaltung und deren Rassenpolitik, die nach wie vor tabuisiert würde. Sein Vortrag befasste sich mit dem Thema "Mischehen und deren Nachkommen". Mischehen seien meist zwischen weißen Männern und einheimischen Frauen geschlossen und von der deutschen Kolonialverwaltung als sogenannte "Verkafferung" angesehen worden. Erwünscht gewesen sei aber eine rein weiße Zukunft der Siedlergesellschaft und keine Assimilation. Um Erbrechte und die deutsche Staatsangehörigkeit der hervorgegangenen Kinder für nichtig erklären zu können, habe die deutsche Verwaltung eine Klassifizierung und Rassifizierung von Kindern aus Mischehen vorgenommen, erläuterte er.

Die Diskussionen im Reichstag und in Windhoek waren so weit gegangen, dass eine organisierte Auswanderung weißer Frauen in die Kolonie beschlossen wurde und Kinder aus Mischehen nicht in weiße Bezirksregister eingetragen wurden. 1905 waren Mischehen sogar verboten worden. Eine Reihe dieser Mischehen habe es aber trotz aller Schikanen und gesetzlichen Hürden geschafft, sich gesellschaftlich zu etablieren, erklärte Henrichsen.

Prof. Dr. Klaus HüserProf. Dr. Klaus HüserMit einem kurzen Film ließen sich Prof. Dr. Klaus Hüser, Universität Bayreuth, und Prof. Dr. Wolf Dieter Blümel, Universität Stuttgart, sozusagen "begleiten" bei ihren geowissenschaftlichen Forschungen, die sie zusammen mit Dr. Jochen Eberle, Universität Stuttgart, im Jahr 2006 durchgeführt hatten. Aufgrund von Steinsetzungen, Felszeichnungen und verschiedenen Ausgrabungsfunden - Jagdwildknochen, Keramikreste, Holzkohle -, die auf ehemalige Siedlungen hindeuten, sowie Pflanzen, die aus feuchteren Zeiten stammen müssen, schlossen die Forscher, dass in der Namib in der Vergangenheit ein anderes Klima vorgeherrscht haben müsse. Die Ergebnisse der Funde stellte Blümel anschließend bei einem Vortrag vor. Die Felszeichnungen könnten in den letzten 2000 Jahren entstanden sein. Die meisten Funde konnten zurück auf das Mittelalter datiert werden.

Der Regisseur und Produzent Thorsten Schütte stellte seinen neuen Film "Land Masters" als deutsche Vorpremiere den Seminarbesuchern vor. Er handelt von der Landreform in Namibia und begleitet Farmer und Farmarbeiter bei ihrer Arbeit. Der Film gab ihnen die Möglichkeit, ihre Gedanken zur Bedeutung von Land und Landbesitz zu äußern. Dabei wird die Vielschichtigkeit der Landproblematik deutlich, die sich vor allem bei dem Aufeinandertreffen der meist weißen "Altfarmer" und der schwarzen "Neufarmer" widerspiegelt. Während die Einen ihren Besitz behalten wollen, möchten die Anderen das Land ihrer Ahnen zurückgewinnen.

Auch erste, nicht immer reibungslos ablaufende Ansätze eines Miteinanders zeigte der Film. Die "Altfarmer" lehren die Neuen, wie wirtschaftlich produktives Farmen funktioniert. Im Anschluss erklärte Schütte, die Dokumentation solle das gegenseitige Verständnis fördern und werde bereits in Farmervereinen in Namibia vorgeführt. "Es gibt keine große Lösung für die Landreform, aber viele im Kleinen", erläuterte er. Unterstützt wurde die Entstehung des Films u.a. durch die Evangelische Kirche im Rheinland, VEM, den CCM, die GTZ, InWent, Brot für die Welt, Miseror, die KfW, die FES und die DNG.

Zum Abschluss sprach der Hamburger Ethnologe Dr. Clemens Greiner. Mit dem Thema "Zwischen Ziegenkraal und Township - Migrationsprozesse in Nordwest-Namibia" legte er seine Untersuchungen von 2005 bis 2006 in der Gegend von Fransfontein dar, im Bereich des früheren Damaralands. Er analysierte die Lebensweisen, Migrationsbewegungen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Landbevölkerung und Verwandten in den Städten. Am Beispiel der kommunalen Kleinsiedlungen mit subsistenzbasierter Viehzucht zeigte er die sozialen Netzwerke und Lebensvorstellungen der einheimischen Bevölkerung auf. Die Alterspyramide im ländlichen Raum weise eine andere Struktur auf als übliche Alterspyramiden, stellte Greiner fest.

Vor allem die Anteile der sehr alten Bevölkerungsschicht und der Kleinkinder seien überproportional vertreten. Die Erklärung dafür liege in den Beweggründen der Abwanderung bzw. Zu- und Rückwanderung: Abwandern würden die Menschen vor allem, um die Schule zu besuchen und Arbeit zu suchen. Auf das Land ziehen hingegen Pensionierte, Kranke, Arbeitslose oder kleine Kinder zur Betreuung.

Aus Sicht der DNG-Vizepräsidentin Birgit Möhring, die das Seminar leitete, war die Tagung "ein voller Erfolg mit interessanten Referaten und anregenden Gesprächen und Diskussionen während und am Rande der Veranstaltung." Die DNG-Mitglieder würden von den Referenten als "sehr fachkundiges Publikum mit vielseitigen Interessen wahrgenommen" werden.